MANUEL NAGEL
AMRISWIL. Ganz am Rande der Stadt ist die Firma Fiwo untergebracht. Vor drei Jahren zog sie von Bischofszell nach Amriswil an die Sommeristrasse, weil sie in der Rosenstadt an ihre Kapazitätsgrenzen stiess. Hier hat sie nun die doppelte Betriebsfläche zur Verfügung.
Am Rande der Gesellschaft stehen auch viele Mitarbeiter der Firma, die sich als «soziale Firma» bezeichnet. Nebst zehn Festangestellten – dazu gehören Geschäftsführer Hans-Ueli Scherrer, seine Frau Yvonne und Sohn Manuel – beschäftigt Fiwo aktuell auch 22 Langzeitarbeitslose, die dank der 2007 gegründeten Firma Scherrers wieder in den Arbeitsprozess integriert werden sollen. «Unsere Erfolgsquote liegt bei guten 30 Prozent» sagt Scherrer nicht ohne Stolz.
Einziger Grossverarbeiter
«Förderung innovativer Wollverarbeitung Ostschweiz» bedeutet das Kürzel. Der regionale Zusatz «Ostschweiz» stimmt zwar im Bezug auf den Standort, doch ist Fiwo der einzige grosse Wollverarbeiter in der Schweiz. Von 900 Tonnen Schweizer Schafwolle werden in Amriswil 300 Tonnen verarbeitet, weitere 300 in Deutschland, 100 von vielen kleinen Betrieben, und die übrigen 200 Tonnen werden schliesslich verbrannt.
Vor 2007 sei in der Schweiz fast der gesamte Bestand vernichtet worden, weiss Scherrer. Ohne Vorkenntnisse vom Metier Wollverarbeitung baute er sein Geschäft auf. Eine emotionale Komponente gibt es bei ihm dann doch: «Ich wuchs als Kind auf einem Bauernhof auf, wo wir auch Schafe hatten.»
Wolle erlebt Aufschwung
Interesse an dieser aussergewöhnlichen Firma hatten am frühen Montagabend auch über 50 Mitglieder des Amriswiler Gewerbevereins, die zu einer Betriebsbesichtigung eingeladen waren. Ihnen zeigte Scherrer den Maschinenpark und die Produkte, welche damit hergestellt werden. Hauptsächlich beliefert Fiwo die Bauindustrie, in der die Wolle in der letzten Zeit wieder einen Aufschwung erlebt hat. «Wolle hat viele positive Eigenschaften», wirbt Scherrer vor den Gewerblern für das natürliche Produkt. «Der Dämmwert von Wolle ist sehr hoch, sie reguliert den Feuchtigkeitshaushalt und bindet Schadstoffe.» Das Topprodukt der Firma sind dementsprechend Dämmplatten und andere Abdichtungsmaterialien.
600 Mitarbeiter in zehn Jahren
Auch auf seine Mitarbeiter kommt der 59-Jährige zu sprechen. Rund 600 Mitarbeiter hätten in den bald zehn Jahren bei Fiwo gearbeitet. Die Fluktuation sei sehr hoch. «Die besten Mitarbeiter schicken wir immer wieder weg», sagt Scherrer ohne Bedauern. Denn jeder davon – dessen ist sich der gelernte Arbeitsagoge bewusst – macht so einen Schritt aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus.
«Eigentlich bin ich mehr Sozialarbeiter als Geschäftsmann», macht Scherrer aus seinem Herzen keine Mördergrube. Dennoch ist er nun vor allem im operativen Bereich, in der Produkteentwicklung, tätig und nicht in der Basisarbeit mit den Benachteiligten, für deren Betreuung er zwei Vollzeitstellen unterhält.
«Durch diese Arbeit mit den Benachteiligten haben wir auch einen gewissen Bonus in der Bevölkerung», weiss Scherrer, und darauf ist Fiwo auch angewiesen, denn für die Non-Profit-Organisation «steht der Mensch vor dem Gewinn», wie Hans-Ueli Scherrer es ausdrückt.
«Ein wirtschaftlicher Spagat»
«Dennoch müssen wir natürlich schwarze Zahlen schreiben. Das alles unter einen Hut zu bringen ist manchmal schwierig», gibt Scherrer freimütig zu. «Ein wirtschaftlicher Spagat.»
Die Firma stellt aber nicht nur Dämmprodukte her. Aktuell produziert sie für einen Schweizer Snowboardbekleidungshersteller das Wollvlies für die Wattierung, weil der keine synthetischen Fasern mehr will.
Auch Bettwaren produziert Fiwo, und aus 15 Tonnen verdreckter Wolle wird ein Bio-Düngemittel für den Garten hergestellt.